Donnerstag, 18. Februar 2021

Alltägliches (IX)

Nur noch wenige Schritte
bis zu unserem Haus.

Petrus zieht den Nebelvorhang beiseite

Der Busfahrer bedankt sich bei mir dafür, dass ich meine Mund-Nase-Bedeckung nach dem Einsteigen auch über mein Kinn ziehe, Petrus schiebt den Nebelvorhang um halb eins über dem Atlantik weg, ich schlendere vor blauer Kulisse und ohne Mund-Nase-Bedeckung in die Altstadt, gehe in meine Lieblingsbäckerei und bekomme für 1,40 Euro eine Tasse Kaffee und einen leckeren Kuchen. Vor der Bäckerei setze ich mich vor einer Haustür auf eine Stufe, es dauert, bis die Tasse einigermaßen gerade steht. Die ersten Tauben lauern auf Kuchenkrümel. Doch der Kuchen ist so lecker, den teile ich mit keiner Taube. Ein junger Mann, der nebenan in einem Restaurant arbeitet, hebt den Daumen und sagt, dass er sich freue, mich wieder in der Altstadt zu sehen. Viel los ist dort immer noch nicht.

Nach einem Bummel durch die City von Funchal schlendere ich zum Katharinenpark und lese mit Blick auf den Hafen und das Ronaldo-Museum (Ronaldo hat gestern Abend mit Juventus Turin beim FC Porto 2 : 1 verloren)  "Bauern, Bonzen und Bomben" von Hans Fallada. Mir fällt ein, dass mir der Beststellerautor Johannes Mario Simmel ("Alle Mensch werden Brüder", "Es muss nicht immer Kaviar sein") vor Jahren einen Roman ähnlicher Qualität zugetraut hat und entdecke in dem Roman aus dem Jahre 1931 viele Parallelen zum Elend der heutigen Sozialdemokratie. 

Den Heimweg trete ich zu Fuß an. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich ein. Ein deutsches Ehepaar stellt fest, dass die Packungen mit den Erfrischungsgetränken keine "Strohhalme" haben und entscheiden sich deswegen gegen den Kauf. Ich denke: Der Atlantik wird sich über die Vermeidung von Plastik freuen. 

Sonntag, 14. Februar 2021

Alltägliches (VIII)

Hier sitze ich, hier schreibe ich. 
Wenn Influencer deutsche Medien füttern 

Worüber sich die Medien doch in Deutschland so das Maul zerreißen. Gefüttert werden sie dann auch noch in den so genannten "sozialen Medien". 

"Für Wohnungsbesichtigungen konnte ich nicht nach Madeira fliegen, also bin ich trotzdem nach Madeira geflogen", twitterte iBlali provokant. Mitten in einer Pandemie stößt das vielen Menschen eher sauer auf – zumal gerade in Portugal das Gesundheitssystem derzeit extrem stark belastet ist. Darauf verwies auch Influencer-Kollege Unge, einer der bekanntesten deutschen Youtuber. "Wir haben alle eine Vorbildfunktion", kritisierte er iBlali in einem Tweet. Unge selbst lebt bereits seit einigen Jahren auf Madeira.

Der öffentliche Gegenwind zwang auch iBlali noch einmal dazu, eine Erklärung zu posten. Sein Tweet sei "ein Joke" gewesen, schrieb er, er habe feste Besichtigungstermine und Pläne. "Das heißt nicht, dass ich die Pandemie unterschätze", so der 28-Jährige. Vielmehr habe er zwei PCR-Tests gemacht und sich vor und nach dem Flug isoliert. "Mir tut's Leid, wenn das jemand falsch aufgenommen hat", zu seiner Planung stehe er dennoch "zu 100 Prozent".

"Stern" vor vier Tagen

Ich kenne die beiden Streithähne nicht, die warum auch immer  solch eine Medienaufmerksamkeit bekommen. Über meinen Umzug hat niemand berichtet, niemand hat sich aufgeregt. In dem Hostel, in dem ich vom 5. bis 29. Januar gewohnt habe, freute man sich darüber, dass ich wieder da war, in der Altstadt von Funchal hörte ich tägliche Klagen über fehlende Gäste, bei der Wohnungssuche half mir eine Einheimische. Niemand sah mich als potenzenzielle Ansteckungsgefahr, alle hießen mich willkommen. Endlich habe ich wieder einen Vermieter, der die Handwerker schickt, bevor alle im Haus erfahren, dass etwas nicht funktioniert.

Worüber sich die Medien in Deutschland das Maul zerreißen, kann mir also nicht nur schnurzpiepegal sein- ist es mir auch. Ich halte mich an die  Corona-Regeln, die von der Regionsregierung für sinnvoll gehalten werden. 

Dienstag, 9. Februar 2021

Alltägliches (VII)

Taberna do Arieiro. Foto:
Heinz-Peter Tjaden

So kann man auch Portugiesisch lernen

"Sente-se em outro lugar."

Das Gebäude ähnelt einer Garage, ist aber ein Lokal  und ein Treffpunkt der Nachbarn, der Lieferanten und der Postboten. Ich trinke dort jeden Morgen meinen Kaffee, sitze draußen und lese - so gut ich das kann - die Lokalzeitung "Diário de Notícias". Heute ist es etwas kühler als sonst. 

Der Wirt bringt mir meinen Kaffee, mit der Tasse in der Hand wiederholt er immer wieder den oben zitierten Satz. Ich wiederhole immer wieder, dass ich ihn nicht verstehe. Schließlich setzt er die Tasse ab und kehrt in sein Lokal zurück. Zu Hause angekommen, frage ich mich, was der Wirt zu mir gesagt hat. Ich lasse mir von Google den Satz übersetzen. 

Die Übersetzung lautet: "Setzen Sie sich doch woanders hin."

Der Wirt hat sich also Sorgen um mich gemacht. Er wollte, dass ich meinen Kaffee in seinem Lokal trinke. 

"A estrada não continua."

Die Straße, in der ich wohne, gabelt sich. Zu unserem Haus geht es steil bergab. Ich komme auf die Weggabelung zu. Eine Autofahrerin hält neben mir an, lässt das Beifahrerfenster nach unten gleiten. Wiederholt den oben zitierten Satz immer wieder. Ich wiederhole immer wieder, dass ich sie nicht verstehe. Schließlich fährt sie weiter. Zu Hause angekommen, frage ich mich, was die Frau zu mir gesagt hat. Auch diesen Satz lasse ich mir von Google übersetzen. 

Die Übersetzung lautet: "Die Straße führt nicht weiter."

Die Autofahrerin hat sich also Sorgen um mich gemacht. Sie wollte, dass ich nicht vergeblich nach unten laufe und mich dann wieder hochquälen muss.