Sonntag, 5. Februar 2023

Alltägliches (254 d)

Nichts für ihn dabei?
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Der Optimist

Als Fotograf muss man im richtigen Moment am richtigen Ort sein, auch wenn man über Menschen ohne Dach über dem Kopf schreibt. Ich pflanzte diesen Mann nicht etwa optisch wirkungsvoll auf diesen Fensterplatz der Immobilienfirma RB Living in der Rua Ivens 29, als ich kam, schlief er dort. Ich weckte ihn unabsichtlich, als ich mein Fahrrad abstellte. 

Während ich zum Briefkasten von RB Living ging, um dagegen zu protestieren, dass ein Vertreter dieser Firma vor fast 100 Stunden in unserem Haus die beiden Toiletten und Duschen abgeschlossen hat, um mich ebenfalls sem-abrigo  zu machen, rauchte er erst einmal eine Zigarette. Als ich ihm noch einen geruhsamen Schlaf wünschte, bedankte er sich. 

Aber es gibt nicht nur Optimisten unter dieser Bevölkerungsgruppe. Am Rande der Altstadt zerrte einer von ihnen an meinem Hemd, bis ich stehen bleiben musste. Er fummelte an meinem Rad herum, ich befreite mich. Vor einem Supermarkt ging einer von ihnen mit seiner Gehhilfe auf mich los und wollte mir mein Fahrrad stehlen. 

Freitag, 27. Januar 2023

Liebe Kinder (VIII)

Irgendwann hört
aber der Spaß auf.
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Immer etwas besser als die Schwester

Wenn Oma und Opa euch fragen, wie gut ihr in der Schule seid, dann seid ihr in der Schule immer gut oder sogar sehr gut, während eure Schwester allenfalls ganz gut ist. Bei den Leuten, die auf Madeira darüber berichten, wie gut es auf der Insel ist und das mit dem Festland vergleichen, ist es so ähnlich. Das Festland ist für sie wie für euch eure Schwester. 

Solche Leute nennt man Redakteure. Redakteur wird man am besten, wenn man in der Schule nie aufgepasst hat. Besonders, wenn es ums Rechnen ging. Einige davon schreiben gleich nach der letzten Unterrichtsstunde für das "Jornal da Madeira" und behaupten beispielsweise heute, dass zum 7,8 Prozent auf Madeira 7,8 Prozent weniger seien als 15,6 Prozent in Portugal.  

Da merkt doch jedes Kind sofort, dass da etwas nicht stimmt. Ihr alle wisst, dass bei den meisten Kindern 50 Prozent der Eltern Männer und 50 Prozent der Eltern Frauen sind. Macht zusammen 100 Prozent. 100 Prozent steht für das Ganze. Wenn euch nun jemand fragen würde, ob ihr mehr Väter oder mehr Mütter als Eltern habt, müsstet ihr sagen: "Wir haben gar keine Eltern." Denn laut "Jornal da Madeira" sind 50 Prozent Väter 0 Prozent mehr/weniger als 50 Prozent Mütter. 

Alltägliches (254 c)

Und neben ihm der Reichtum.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
Bettler mit mehreren Zweigstellen

Mir hat er sofort angesehen, dass ich aus Deutschland komme. "Guten Abend", grüßte er und zeichnete weiter. Inzwischen weiß ich, dass er auf Deutsch nur diesen Gruß beherrscht und "Alles gut?" Mit "Guten Abend" grüßt er auch um 14 Uhr. 

Doch damit ist er bisher weit gekommen. Supermarkt-Kunden bringen ihm etwas aus dem Geschäft mit, er mag jede Joghurt-Sorte. In seiner Spendendose klimpert es häufiger als in anderen Spendendosen. Wahrscheinlich, weil er ein Zeichner ist. Dass er nur Punkte miteinander verbindet und die entstehenden Flächen mit Buntstiften füllt, merkt keiner. Aus irgendwelchen Gründen sind die meisten Touristinnen und Touristen sogar dann in Eile, wenn es noch gar nicht Abend ist und schauen nie so genau hin, was ein Mann um die 50 auf der Straße macht. 

Erfolgreich ist auch der wesentlich jüngere Bettler, der in der Nähe sitzt. Er ist sogar so erfolgreich, dass er mehrere Zweigstellen hat. Verlässt er eine davon, lässt er seine Sachen und die Spendendose zurück. Er hat mehrere davon. Über seine Einnahmen scheint er von einer Freundin informiert zu werden. Die hat immer ein Smartphone am Ohr und leistet ihm Gesellschaft, wenn eine hübsche Frau werbewirksam sein kann.

Kontrastreich mag es ein Bettler, der stets in der Nähe eines Geldautomaten sitzt. Über ihm der mögliche Reichtum und da unten ist er immer noch arm. 

Der Geruhsame und die Aggressiven