Hier stellt mein Nachbar seine Wäsche aus. Foto: Heinz-Peter Tjaden |
Dies ist der zweite Bericht über unsere Wohngemeinschaft (drei Frauen, drei Männer, der Professor wohnt schon lange nicht mehr bei uns). Das Haus hat zwei Stockwerke, oben wohnt eine ältere Dame, mein Balkon-Nachbar ist ein junger Mann (grußloser Künstlertyp, niemand geht an den anderen schneller vorbei als er, alle trocknen ihre Wäsche auf dem Hof, er auf seinem Balkon).
"Die Wände sind wie aus Pappe", hat gestern Abend in einem Fernsehkrimi eine Frau zu einem Mann gesagt. "Man hört hier jedes Geräusch." Diese Pappe ist auch bei unserem Haus verwendet worden. Besonders gut hört man jedes Geräusch aus dem Treppenhaus.
Auch eines Morgens. Jemand röchelt. Die ältere Dame aus dem ersten Stock? Ich greife nach meinem Handy. Die Notrufnummer in Portugal lautet 112. Ich öffne meine Zimmertür. Mein Daumen berührt schon die 1. Doch das Röcheln kommt gar nicht aus dem ersten Stock. Das Röcheln kommt aus dem Smartphone meines Balkon-Nachbarn. Der Tod der Sängerin ist wohl nicht mehr zu vermeiden.
Bei den Opern, die ich kenne, dauert sowas mehr als fünf Minuten. Moderne Opern dagegen kenne ich überhaupt nicht. Die scheinen nicht nur mit Todeskämpfen zu enden, sondern auch zu beginnen. Das Gejammer von nebenan hört jedenfalls nicht auf. Dann der Schock. Nun singt auch mein Nachbar. Ich schalte mein Radio ein. Eine Geige weint-und ich habe Madeira für eine fröhliche Insel gehalten.