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Freitag, 27. Januar 2023

Alltägliches (254 c)

Und neben ihm der Reichtum.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
Bettler mit mehreren Zweigstellen

Mir hat er sofort angesehen, dass ich aus Deutschland komme. "Guten Abend", grüßte er und zeichnete weiter. Inzwischen weiß ich, dass er auf Deutsch nur diesen Gruß beherrscht und "Alles gut?" Mit "Guten Abend" grüßt er auch um 14 Uhr. 

Doch damit ist er bisher weit gekommen. Supermarkt-Kunden bringen ihm etwas aus dem Geschäft mit, er mag jede Joghurt-Sorte. In seiner Spendendose klimpert es häufiger als in anderen Spendendosen. Wahrscheinlich, weil er ein Zeichner ist. Dass er nur Punkte miteinander verbindet und die entstehenden Flächen mit Buntstiften füllt, merkt keiner. Aus irgendwelchen Gründen sind die meisten Touristinnen und Touristen sogar dann in Eile, wenn es noch gar nicht Abend ist und schauen nie so genau hin, was ein Mann um die 50 auf der Straße macht. 

Erfolgreich ist auch der wesentlich jüngere Bettler, der in der Nähe sitzt. Er ist sogar so erfolgreich, dass er mehrere Zweigstellen hat. Verlässt er eine davon, lässt er seine Sachen und die Spendendose zurück. Er hat mehrere davon. Über seine Einnahmen scheint er von einer Freundin informiert zu werden. Die hat immer ein Smartphone am Ohr und leistet ihm Gesellschaft, wenn eine hübsche Frau werbewirksam sein kann.

Kontrastreich mag es ein Bettler, der stets in der Nähe eines Geldautomaten sitzt. Über ihm der mögliche Reichtum und da unten ist er immer noch arm. 

Der Geruhsame und die Aggressiven

Samstag, 21. Januar 2023

Alltägliches (254 b)

Das Nachtlager 
eines Bettlers.
Foto: Tjaden

Nur die Münze im Blick


Er dreht und wendet das Messer zwischen den beiden Brettern so weit er kann. Er sieht nur die Münze, die er herausholen will. Sein Hund liegt neben dem Weg aus Holzbrettern auf dem Rasen und schläft. Er dreht und wendet das Messer. Er sieht nur die Münze. Über ihm schwebt eine Gondel zum Monte. Die Leute, die auf einen Bus warten, sieht er ebenfalls nicht. Er kniet auf dem Holzweg. Mit dem Messer in der Hand. Er gehört zu den vielen Bettlern in Funchal. Manche von ihnen sitzen neben den Geldautomaten, an denen es in der Innenstadt auch nicht mangelt.

In einem Gebüsch steckt ein Beutel mit dem Nachtlager eines anderen Bettlers, der in einem Hauseingang abwechselnd zwei Flaschen zum Mund führt. Eine mit Wein, die andere mit Schnaps. Er ist gerade erst aufgewacht. Er hat vor einem Supermarkt seinen Rausch ausgeschlafen, sein Nachtlager versteckt und nun will er den nächsten Rausch.  

Zum Beginn der Serie

Bettler mit mehreren Zweigstellen


Montag, 16. Januar 2023

Alltägliches (254 a)

Bei Bettlern beliebt: "Pingo
Doce" in Sao Martinho.
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Ein Bettler mit Charme und schlechtem Gedächtnis

Er gehört also zu den charmanten Bettlern. Sein Charme beschränkt sich zwar auf ein paar englische Sätze und die Irrtümer, die ihm unterlaufen, sind immer dieselben, aber für mindestens eine Zigarette reicht sein Charme immer. Irrtum nicht ausgeschlossen. Denn einmal ist es ihm sogar gelungen, mir nicht nur eine Zigarette aus der Packung zu locken. Ich saß vor einem Lokal, als dies geschehen ist.

Wenn er mich sieht, gibt es für ihn kein Halten mehr. Ob ich nun stehe, sitze oder laufe, er überhäuft mich sofort mit Komplimenten. Er preist die Schönheit der Insel und meine Klugheit, mich für Madeira entschieden zu haben. Überall habe er mich schon gesehen, immer mit dem Fahrrad, oft mit einem Buch oder mit einer Zeitung in der Hand, ich sei ein sehr kultivierter Mensch, wie die Engländer eben so seien. 

Er könnte mich auch für einen Österreicher oder Schweizer halten, wichtig wäre für ihn nur: Auch dort wird geraucht. Und wenn sich vor einem Lokal die Gelegenheit ergibt, dann nimmt er auch die ganze Schachtel mit. 

Nur die Münze im Blick

Sonntag, 15. Januar 2023

Alltägliches (254)

Bis heute ist es mir nicht
gelungen, den schnellsten
Bettler
Madeiras zu
fotografieren. Foto: Tjaden

Bettler auf Madeira-Erfahrungsberichte für Arbeitskreis "sem-abrigo" (obdachlos)

Wenn an der Spitze Europas eine Frau aus Burgdorf bei Hannover steht (ich kenne die Stadt und Ursula von der Leyen), kann niemand lange sitzen bleiben. Dann wird in die Hände gespuckt. Damit es bis 2030 in der Europäischen Union keine Obdachlosen mehr gibt-beispielweise. 

Auf Madeira werden deshalb  immer mehr neue Hotels gebaut. Bis der Boden dermaßen versiegelt ist, dass Obdachlose nirgendwo mehr ihre Decken ausbreiten können und sich deswegen für die Nacht ein Hotelzimmer nehmen. 

Besonders viel vorgenommen hat sich in dieser Hinsicht wohl Cristiano Ronaldo, der für einen Scheich Fußball spielt und dafür dermaßen viele Millionen bekommt, dass er seine Hotelbeteiligungen ohne Not leiden zu müssen weiter vergrößern kann. Entsprechende Tipps bekommt er möglicherweise von dem in diesen Tagen auf Madeira gegründeten Arbeitskreis, der sich mit "sem-abrigo" (obdachlos) beschäftigt. Um diesem Arbeitskreis zu helfen, schildere ich nachfolgend meine Erfahrungen mit Bettlern und Obdachlosen. 

Zuerst wäre da der Charmeur. Hier klicken

Sonntag, 20. März 2022

Alltägliches (205)

Laranja Leaks, "Diario de Notícias", 20. 3. 2022
Regierungschef Miguel Albuquerque (Zweiter
von rechts) und andere Großverdiener. 

"Haben Sie mal einen Euro für mich?"

Ich bin gestern Nachmittag erneut dort gewesen, aufgefallen ist mir das nicht: Die "Diario de Notícias" behauptet heute in einer Reportage, in Camera de Lobos nehme die Zahl der Bettler zu. Auf Seite 1 und im Innenteil werden zwei Fotos veröffentlicht, auf denen gebettelt wird. Dabei handelt es sich aber in beiden Fällen um denselben Mann.  Als ich gestern vor einem Café in der Nähe der Kirche gesessen habe, stand dieser Bettler hinter mir. Nach ihm umdrehen musste ich mich nicht. Ich konnte ihn riechen. Später sah ich ihn auch noch an einem Taxistand, wo er die Taxifahrer mit seinen gelallten Sprüchen unterhielt. 

Solche Szenen gehören zum Alltag auf Madeira. Sie häufen sich nicht, die Häufigkeit hängt von der Örtlichkeit ab. Dabei haben es die Bettler vornehmlich auf Touristen abgesehen. Setzt man sich in der City von Funchal vor einem Café an einen Tisch und holt eine Zigarettenschachtel heraus, lassen die Schnorrer nicht lange auf sich warten. Die Augen einiger Bettler in der Altstadt von Funchal sind  sogar schon so sehr geschult, dass sie die Umrisse einer Zigarettenschachtel in einer Hemdtasche erkennen können, bevor man selbst überhaupt ans Rauchen denkt. Wenn man an den Brunnen auf der Avenida do Mar seine Beine ausstreckt, sollte man nichts auf den Rasen legen. Einige Bettler sind nämlich auch raffinierte Diebe. 

Das Verhältnis zwischen Madeirern, die Arbeit haben, und Madeirern, die betteln müssen, dagegen scheint ziemlich entspannt zu sein. Das könnte daran liegen, dass die Arbeitenden schnell zu den Arbeitslosen gehören können. Die "Diario de Notícias" weist ebenfalls heute darauf hin, dass in den vergangenen fünf Jahren 1054 illegale Arbeitsverhältnisse aufgeflogen seien. Über diese Zahl habe ich mich gewundert. Denn: Ich hatte mit über 1000 pro Monat gerechnet. 

Was ich hier schildere, war auch schon vor der Corona-Pandemie so. Damals war ich aber ein Tourist, heute wohne ich hier. Da sieht man mehr. Der Kontrast zwischen Schönheit der Insel und Alltag vieler Menschen, die hier leben, springt mich täglich an. Den Touristinnen und Touristen zuliebe werden auf Madeira immer mehr schöne Ecke mit grässlichen Hotelbauten verschandelt. Manchmal sieht man den Atlantik und die Berge vor lauter Beton schon nicht mehr. Die Personen, die dafür verantwortlich zeichnen, werden heute von der "Diario de Noticias" in einer Karikatur dargestellt. Verlassen können sie sich auf im öffentlichen Dienst Beschäftigte, die im Monat durchschnittlich 767 Euro mehr verdienen als die Beschäftigten im privaten Sektor. Sie bekommen also das Doppelte. Schwarz arbeiten müssen sie auch nicht, deswegen müssen sie auch nicht damit rechnen, eines Tages von der "Diario de Notícias" als Bettler abgelichtet zu werden...  


Donnerstag, 9. September 2021

Alltägliches (126)

Er eilt davon.
Foto: Tjaden
Wenn eine Freundschaft unter Obst leidet

Die Freundschaft zwischen dem schnellsten Bettler Funchals und mir leidet unter Obst. Ich habe es mir mit ihm mit einer Banane und einem Apfel verdorben. Die kaufte ich an zwei verschiedenen Tagen an einem Obst-Stand vor dem Chinesen. 

Die Banane lehnte er noch in einem freundlichen Ton ab, die Entgegennahme des Apfels verweigerte er schon fast schon wütend. Danach grüßte er mich nicht mehr. Er nahm auf seinen Krücken Reißaus, sobald er mich auf der Avenida de Arriaga sah.

Doch heute grüßte er mich wieder. Er blieb sogar stehen. Darüber freute ich mich. Ich nahm meinen Rucksack ab, trank einen Schluck "Sprite" und er wartete, bis ich meinen Rucksack wieder auf dem Rücken hatte. Er eilte davon, ich sah mich um. Ich hatte vor einem Geldautomaten eine Pause eingelegt.  

Sonntag, 14. März 2021

Alltägliches (XIII)

Hat den schnellsten
Bettler von
Funchal stets
beeindruckt. 

Der schnellste Bettler von Funchal

Bettlerinnen und Bettler gehören zum Straßenbild in Funchal, nicht nur im Zentrum, sondern auch im Hotelviertel. Die beiden im Hotelviertel nehmen die Passanten allerdings kaum wahr, weil sie mit ihren Smartphones beschäftigt sind. Nur, wenn sie nicht  zu zweit sind, sprechen sie die Vorübergehenden gelegentlich auch einmal an. 

Den schnellsten Bettler gibt es im Zentrum von Funchal. Ihn kenne ich schon seit meinem ersten Aufenthalt auf der Blumeninsel im Dezember 2018. Geld wollte er nie von mir. Er lobte mich nur jedes Mal dafür, dass ich mit einem Bike von "Happy Bike" unterwegs war. 

Doch das änderte sich im vergangenen Jahr. Denn nun war ich ein Fußgänger-und nie so schnell wie er. Obwohl er nur noch ein Bein hat und Krücken braucht, holte er mich jedes Mal ein, wenn ich in der Nähe der Kathedrale Sé auftauchte. Er dachte sich wohl, wenn ich kein Geld mehr für die Bike-Miete brauche, habe ich Geld für ihn übrig. Womit er seit September recht hat.

Betteln macht er öffentlich, nur eins macht er eher heimlich: Immer, wenn er an der Kathedrale vorbeikommt, bekreuzigt er sich. Demnächst habe ich wieder ein Fahrrad. Ein eigenes. Mit dem ich schneller bin als er. Mal sehen, wie er darauf reagiert.