Samstag, 27. Februar 2021

Alltägliches (X)

Zwei Kilogramm 
"Planta"-Margarine.

Unsere Wohngemeinschaft: Zwei Frauen, drei Männer und ein Professor

Nun esse ich, worüber ich vor zwei Jahren ("Immer Ärger mit Red") nur geschrieben habe: Zackenbarsch. Lecker zubereitet von einem weiblichen Mitglied unserer Wohngemeinschaft. Mir angeboten von einem männlichen Mitglied unserer Wohngemeinschaft, als die anderen schon auf ihren Zimmern gewesen sind. Dieses männliche Mitglied arbeitet in einer Bananenplantage und nennt mich bereits "Amigo". 

Zu den anderen gehört auch ein ehemaliger Professor, der mir bei einem Bummel durch die Altstadt von Funchal erklärt hat, womit er sich beschäftigt. Das sind: Primzahlen. Schon Karl Marx habe Georg Wilhelm Friedrich Hegel zugestimmt, als dieser die Auffassung vertrat, dass jede kleine Prim-Zahl eine Entsprechung bei den größten Primzahlen habe. Das will dieser Professor nun beweisen. Das nenne ich Idealismus im Hegelschen Sinne. Wegen dieser Forschungen bekommt man dieses männliche Mitglied unserer Wohngemeinschaft kaum zu Gesicht. Seit wir hier wohnen, also seit dem 29. Januar 2021, einmal. Ist eine Primzahl. Passt also.

Der Plantagenarbeiter hat einen Bruder, der sich jeden Abend darüber wundert, wie lange ich am PC sitze und schreibe. Mit Zigaretten und Bier versucht er immer wieder, mich vom Computer wegzulocken. Was ihm nur selten gelingt.

Abendlicher Treffpunkt ist die Küche. Nach dem Essen sorgt die Meisterköchin für Musik aus ihrem Smartphone und ist stets diejenige, die am lautesten singt. Dann taucht auch das zweite weibliche Mitglied, eine Rentnerin, auf. Ob sie es ist, die in der Küche Packungen stapelt, in die zwei Kilogramm "Planta"-Margarine (laut Hersteller das Formato Profissional) passen?

Das jüngste Mitglied unserer Wohngemeinschaft macht nur selten den Mund auf. Wenn, dann singt er - auch unter der Dusche.  

Donnerstag, 18. Februar 2021

Alltägliches (IX)

Nur noch wenige Schritte
bis zu unserem Haus.

Petrus zieht den Nebelvorhang beiseite

Der Busfahrer bedankt sich bei mir dafür, dass ich meine Mund-Nase-Bedeckung nach dem Einsteigen auch über mein Kinn ziehe, Petrus schiebt den Nebelvorhang um halb eins über dem Atlantik weg, ich schlendere vor blauer Kulisse und ohne Mund-Nase-Bedeckung in die Altstadt, gehe in meine Lieblingsbäckerei und bekomme für 1,40 Euro eine Tasse Kaffee und einen leckeren Kuchen. Vor der Bäckerei setze ich mich vor einer Haustür auf eine Stufe, es dauert, bis die Tasse einigermaßen gerade steht. Die ersten Tauben lauern auf Kuchenkrümel. Doch der Kuchen ist so lecker, den teile ich mit keiner Taube. Ein junger Mann, der nebenan in einem Restaurant arbeitet, hebt den Daumen und sagt, dass er sich freue, mich wieder in der Altstadt zu sehen. Viel los ist dort immer noch nicht.

Nach einem Bummel durch die City von Funchal schlendere ich zum Katharinenpark und lese mit Blick auf den Hafen und das Ronaldo-Museum (Ronaldo hat gestern Abend mit Juventus Turin beim FC Porto 2 : 1 verloren)  "Bauern, Bonzen und Bomben" von Hans Fallada. Mir fällt ein, dass mir der Beststellerautor Johannes Mario Simmel ("Alle Mensch werden Brüder", "Es muss nicht immer Kaviar sein") vor Jahren einen Roman ähnlicher Qualität zugetraut hat und entdecke in dem Roman aus dem Jahre 1931 viele Parallelen zum Elend der heutigen Sozialdemokratie. 

Den Heimweg trete ich zu Fuß an. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich ein. Ein deutsches Ehepaar stellt fest, dass die Packungen mit den Erfrischungsgetränken keine "Strohhalme" haben und entscheiden sich deswegen gegen den Kauf. Ich denke: Der Atlantik wird sich über die Vermeidung von Plastik freuen. 

Sonntag, 14. Februar 2021

Alltägliches (VIII)

Hier sitze ich, hier schreibe ich. 
Wenn Influencer deutsche Medien füttern 

Worüber sich die Medien doch in Deutschland so das Maul zerreißen. Gefüttert werden sie dann auch noch in den so genannten "sozialen Medien". 

"Für Wohnungsbesichtigungen konnte ich nicht nach Madeira fliegen, also bin ich trotzdem nach Madeira geflogen", twitterte iBlali provokant. Mitten in einer Pandemie stößt das vielen Menschen eher sauer auf – zumal gerade in Portugal das Gesundheitssystem derzeit extrem stark belastet ist. Darauf verwies auch Influencer-Kollege Unge, einer der bekanntesten deutschen Youtuber. "Wir haben alle eine Vorbildfunktion", kritisierte er iBlali in einem Tweet. Unge selbst lebt bereits seit einigen Jahren auf Madeira.

Der öffentliche Gegenwind zwang auch iBlali noch einmal dazu, eine Erklärung zu posten. Sein Tweet sei "ein Joke" gewesen, schrieb er, er habe feste Besichtigungstermine und Pläne. "Das heißt nicht, dass ich die Pandemie unterschätze", so der 28-Jährige. Vielmehr habe er zwei PCR-Tests gemacht und sich vor und nach dem Flug isoliert. "Mir tut's Leid, wenn das jemand falsch aufgenommen hat", zu seiner Planung stehe er dennoch "zu 100 Prozent".

"Stern" vor vier Tagen

Ich kenne die beiden Streithähne nicht, die warum auch immer  solch eine Medienaufmerksamkeit bekommen. Über meinen Umzug hat niemand berichtet, niemand hat sich aufgeregt. In dem Hostel, in dem ich vom 5. bis 29. Januar gewohnt habe, freute man sich darüber, dass ich wieder da war, in der Altstadt von Funchal hörte ich tägliche Klagen über fehlende Gäste, bei der Wohnungssuche half mir eine Einheimische. Niemand sah mich als potenzenzielle Ansteckungsgefahr, alle hießen mich willkommen. Endlich habe ich wieder einen Vermieter, der die Handwerker schickt, bevor alle im Haus erfahren, dass etwas nicht funktioniert.

Worüber sich die Medien in Deutschland das Maul zerreißen, kann mir also nicht nur schnurzpiepegal sein- ist es mir auch. Ich halte mich an die  Corona-Regeln, die von der Regionsregierung für sinnvoll gehalten werden. 

Dienstag, 9. Februar 2021

Alltägliches (VII)

Taberna do Arieiro. Foto:
Heinz-Peter Tjaden

So kann man auch Portugiesisch lernen

"Sente-se em outro lugar."

Das Gebäude ähnelt einer Garage, ist aber ein Lokal  und ein Treffpunkt der Nachbarn, der Lieferanten und der Postboten. Ich trinke dort jeden Morgen meinen Kaffee, sitze draußen und lese - so gut ich das kann - die Lokalzeitung "Diário de Notícias". Heute ist es etwas kühler als sonst. 

Der Wirt bringt mir meinen Kaffee, mit der Tasse in der Hand wiederholt er immer wieder den oben zitierten Satz. Ich wiederhole immer wieder, dass ich ihn nicht verstehe. Schließlich setzt er die Tasse ab und kehrt in sein Lokal zurück. Zu Hause angekommen, frage ich mich, was der Wirt zu mir gesagt hat. Ich lasse mir von Google den Satz übersetzen. 

Die Übersetzung lautet: "Setzen Sie sich doch woanders hin."

Der Wirt hat sich also Sorgen um mich gemacht. Er wollte, dass ich meinen Kaffee in seinem Lokal trinke. 

"A estrada não continua."

Die Straße, in der ich wohne, gabelt sich. Zu unserem Haus geht es steil bergab. Ich komme auf die Weggabelung zu. Eine Autofahrerin hält neben mir an, lässt das Beifahrerfenster nach unten gleiten. Wiederholt den oben zitierten Satz immer wieder. Ich wiederhole immer wieder, dass ich sie nicht verstehe. Schließlich fährt sie weiter. Zu Hause angekommen, frage ich mich, was die Frau zu mir gesagt hat. Auch diesen Satz lasse ich mir von Google übersetzen. 

Die Übersetzung lautet: "Die Straße führt nicht weiter."

Die Autofahrerin hat sich also Sorgen um mich gemacht. Sie wollte, dass ich nicht vergeblich nach unten laufe und mich dann wieder hochquälen muss. 

Montag, 8. Februar 2021

Alltägliches (VI)

Unterwegs nach
einer Busfahrt.
Foto: Tjaden
Wie die Gämsen-Wenn der Bus woanders hält

Hallo, du darfst mich ab sofort "die Gämse" nennen, denn so viele Kilometer, wie ich seit dem Umzug nach Sao Martinho bergauf und bergab zurückgelegt habe, schaffen sonst nur diese Kletterkünstler. Ob sie allerdings auch auf den Mauern balanzieren und die brüchigen Steintreppen benutzen würden, die zu meinen Wanderungen gehören, wage ich zu bezweifeln.

Wenn es ums Klettern geht, sind Gämsen vielleicht nicht so mutig wie ich, aber wenn es darum geht, mit dem Bus in die City von Funchal zu fahren, dürften sie klüger sein als ich. Denn ich habe erst nach einigen Tagen begriffen, dass z. B. die Linie 1, die jeden Mittag vor unserem Haus hält, abends diese Haltestelle meidet und sich statt dessen eine Haltestelle in den Bergen aussucht, wenn Samstag im Kalender steht. Was die Busfahrer aber erst verraten, wenn ich weitab von unserem Haus den Bus verlassen soll, weil wir die Endstation erreicht haben. 

Da mich jede Busfahrt - wo sie im Kreis Funchal auch enden mag - 1,95 Euro kostet, habe ich mich in Funchal nach preiswerteren Fahrkarten erkundigt. Der Mann am Schalter schickte mich zu einem Automaten, der auf der Uferpromenade steht. Der pries mir zwei Prepaid-Karten für 1,35 Euro die Fahrt an. Bezahlen musste ich für zwei Karten aber 3,20 Euro. Für die Benutzung des Automaten wurden mir 0,50 Euro berechnet.

Das nenne ich geschäftstüchtig.    

Like the chamois-If the bus stops elsewhere

Hello, you can now call me "the chamois", because as many kilometers as I have covered uphill and downhill since the move to Sao Martinho, otherwise only these climbers can manage. However, I dare to doubt whether they would also be balancing on the walls and using the brittle stone staircases that are part of my walks.

When it comes to climbing, chamois may not be as brave as I am, but when it comes to taking a bus to the city of Funchal, they may be smarter than i am. Because I only realized after a few days that e.B. the line 1, which stops every lunchtime in front of our house, avoids this stop in the evening and instead chooses a stop in the mountains when Saturday is on the calendar. But what the bus drivers only reveal when I have to leave the bus far from our house, because we have reached the terminus.

Since every bus trip - wherever it ends - costs me 1.95 euros, I asked for cheaper tickets in Funchal. The man at the counter sent me to a vending machine that stands on the waterfront. He praised me for two prepaid cards for 1.35 euros the trip. I had to pay for two cards but 3.20 euros. For the use of the vending machine I was charged 0.50 Euro.- costs me 1.95 euros, I asked for cheaper tickets in Funchal. The man at the counter sent me to a vending machine that stands on the waterfront. He praised me for two prepaid cards for 1.35 euros the trip. I had to pay for two cards but 3.20 euros. For the use of the vending machine I was charged 0.50 Euro.

That's what I call it business-like.

Donnerstag, 4. Februar 2021

Alltägliches (V)

Fotografiert bei Camara de
Lobos: "Herrchen ist
wohl zu weit rausgeschwommen."

Neidisch auf den Vater und auf mich

Auch Madeira leidet unter der Corona-Pandemie: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Hotelübernachtungen um fünf Millionen gesunken. Doch: Die Insel bleibt attraktiv. Habe ich gestern wieder einmal erfahren.

Kaum hatte ich eine Bekannte von der Nordseeküste darüber informiert, dass ich nun in Sao Martinho wohne, antwortete sie mir: "Mein Vater ist vor zwei Jahren nach Funchal gezogen. Wir haben ihn dort voriges Jahr besucht." 

Später fügte sie noch hinzu: "Ich beneide euch beide." Meine Antwort: "Zu Recht."