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Freitag, 27. Januar 2023

Alltägliches (254 c)

Und neben ihm der Reichtum.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
Bettler mit mehreren Zweigstellen

Mir hat er sofort angesehen, dass ich aus Deutschland komme. "Guten Abend", grüßte er und zeichnete weiter. Inzwischen weiß ich, dass er auf Deutsch nur diesen Gruß beherrscht und "Alles gut?" Mit "Guten Abend" grüßt er auch um 14 Uhr. 

Doch damit ist er bisher weit gekommen. Supermarkt-Kunden bringen ihm etwas aus dem Geschäft mit, er mag jede Joghurt-Sorte. In seiner Spendendose klimpert es häufiger als in anderen Spendendosen. Wahrscheinlich, weil er ein Zeichner ist. Dass er nur Punkte miteinander verbindet und die entstehenden Flächen mit Buntstiften füllt, merkt keiner. Aus irgendwelchen Gründen sind die meisten Touristinnen und Touristen sogar dann in Eile, wenn es noch gar nicht Abend ist und schauen nie so genau hin, was ein Mann um die 50 auf der Straße macht. 

Erfolgreich ist auch der wesentlich jüngere Bettler, der in der Nähe sitzt. Er ist sogar so erfolgreich, dass er mehrere Zweigstellen hat. Verlässt er eine davon, lässt er seine Sachen und die Spendendose zurück. Er hat mehrere davon. Über seine Einnahmen scheint er von einer Freundin informiert zu werden. Die hat immer ein Smartphone am Ohr und leistet ihm Gesellschaft, wenn eine hübsche Frau werbewirksam sein kann.

Kontrastreich mag es ein Bettler, der stets in der Nähe eines Geldautomaten sitzt. Über ihm der mögliche Reichtum und da unten ist er immer noch arm. 

Der Geruhsame und die Aggressiven

Samstag, 21. Januar 2023

Alltägliches (254 b)

Das Nachtlager 
eines Bettlers.
Foto: Tjaden

Nur die Münze im Blick


Er dreht und wendet das Messer zwischen den beiden Brettern so weit er kann. Er sieht nur die Münze, die er herausholen will. Sein Hund liegt neben dem Weg aus Holzbrettern auf dem Rasen und schläft. Er dreht und wendet das Messer. Er sieht nur die Münze. Über ihm schwebt eine Gondel zum Monte. Die Leute, die auf einen Bus warten, sieht er ebenfalls nicht. Er kniet auf dem Holzweg. Mit dem Messer in der Hand. Er gehört zu den vielen Bettlern in Funchal. Manche von ihnen sitzen neben den Geldautomaten, an denen es in der Innenstadt auch nicht mangelt.

In einem Gebüsch steckt ein Beutel mit dem Nachtlager eines anderen Bettlers, der in einem Hauseingang abwechselnd zwei Flaschen zum Mund führt. Eine mit Wein, die andere mit Schnaps. Er ist gerade erst aufgewacht. Er hat vor einem Supermarkt seinen Rausch ausgeschlafen, sein Nachtlager versteckt und nun will er den nächsten Rausch.  

Zum Beginn der Serie

Bettler mit mehreren Zweigstellen


Montag, 13. Dezember 2021

Alltägliches (168)

Helles Köpfchen?

Glühbirnen heller als die Sonne?

Zwei Dinge braucht das Klima auf Madeira: den Golfstrom und die Nordostpassatwinde. Versiegt der Golfstrom und schützen die Passatwinde nicht mehr, könnte die Insel eines Tages sogar unbewohnbar sein.  Klimaschutz ist also für diese Insel besonders wichtig. Das scheint vielen nicht klar zu sein. 

Bei der Energieerzeugung spielen Wasser- und Windkraft eine geringe Rolle. Für Windräder ist die Beschaffenheit der Insel nur selten geeignet, für Generatoren, die mit Wasserkraft laufen, ist das Gefälle meistens zu gering. Da es auf Madeira weder Öl noch Kohle gibt, müssen fossile Brennstoffe importiert werden. Doch um den Ruf dieser Brennstoffe ist es schlecht bestellt. Der Klimawandel lässt schön grüßen. Auch das Wasser des Atlantiks wird immer wärmer, immer wärmeres Wasser ist der Stoff, aus dem die Hurrikans sind. 

Da müsste der sparsame Umgang mit der Energie längst allen in Fleisch und Blut übergegangen sein. Ist aber nicht so. In Deutschland singt man bei ausgelassenen Partys "Bei Meiers brennt noch Licht, nach Hause geh´n wir nicht", auf Madeira müsste das Lied "Bei Meiers brennt immer Licht" heißen. Die Sonne mag noch so strahlen, das Licht der Glühbirnen wird für heller gehalten. Nicht nur in der Wohngemeinschaft, in der ich lebe, auch in den Supermärkten, in denen ich einkaufe.

Auch die Kommunen scheinen es mit den Augen zu haben. Die Straßenlaternen haben gegen die Sonne zwar keine Chance, aber man kann es ja mal probieren.  




Freitag, 19. November 2021

Alltägliches (155)

Mit Maske in der Gondel.
Foto: Patricia Kloppert

Bis die Kontrollen außer Kontrolle geraten

Vor den Test-Stationen in Funchal bilden sich Schlangen. Wer morgen in die Disco, ins Kino oder ins Theater will, möchte heute noch getestet werden. Und zwar schnell. Denn geimpft sein, reicht für die Disco, für den Kino- und Theaterbesuch nicht aus. 

Madeiras Regierungschef Miguel Albuquerque, der bisher während der Corona-Pandemie eine einigermaßen gute Figur gemacht hat, verlor jedes Gefühl für Timing. Er verkündete am Donnerstag Maßnahmen, die morgen in Kraft treten sollen, obwohl sie bei der auch noch schwierigen Umsetzung höchstens negative Effekte haben können. Denn die angebliche Sicherheit ist nur vorgegaukelt.

Die jetzt vorgeschriebenen Anti-Gen-Tests liefern keine in jedem Fall verlässlichen Ergebnisse. Wer sich viele Viren eingefangen hat, wird eher erkannt als diejenigen, die sich nur wenige Viren eingefangen haben. Obwohl beide Gruppen ansteckend sind, fällt die zweite Gruppe leicht durch das Raster. Deswegen müsste jedes negative Ergebnis (=ist gesund, kann niemanden anstecken) von einem Arzt überprüft werden. Das kann niemand leisten. 

Zum Maßnahmenkatalog gehört auch weiterhin der Sicherheitsabstand von 1,50 Meter. Miguel Albuquerque scheint also seine Pappenheimer nicht zu kennen. Wenn die mir auf der Straße begegnen, rechne ich sogar damit, dass sie über mich hinweg klettern, weil sie immer den kürzesten Weg bevorzugen. Im Supermarkt wundere ich mich darüber, wenn jemand 30 Zentimeter Abstand hält. Oft rennen sie mir sogar über die Füße. Warum die Pappenheimer von Miguel Albuquerque es immer so eilig haben, ist mir ein Rätsel-da brauche ich nicht auch noch Maßnahmenkataloge, die noch rätselhafter sind. 

Und dann auch noch dies: mehr Kontrollen. Die haben nicht einmal funktioniert, als fast alle Geschäfte geschlossen waren. Weiß ich aus Erfahrung. Funktioniert hat dagegen: Fieber messen vor dem Einkauf. Der freundliche Hinweis, eine Maske zu tragen. Die Zahl der Kunden begrenzen. Was jetzt geschehen wird, kennt man bereits in Deutschland: Die Kontrollen geraten außer Kontrolle. 

Samstag, 11. September 2021

Alltägliches (127)

Mein neues Fahrrad.
Aus dem Schlagloch in die Kirche

Der Taxifahrer schaut nach links, zeigt nach oben: "Dort ist Decathlon Sao Martinho." Ich stimme ihm zu. Er wendet auf der Estrada Monumental und biegt in eine Straße ab, die steil hinauf führt. 

"Ist ziemlich groß", sagt der Taxifahrer.

"Stimmt. Ich habe dort vorige Woche ein Fahrrad bestellt. Mein altes ist kaputt. Jetzt hole ich das Fahrrad ab."

"Haben Sie keine Angst, dass Sie vom Rad fallen könnten?"

"Nein."

"Aber einige Straßen auf Madeira sind sehr schlecht."

Ist mir bekannt. Aber in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, kann man von Straßen manchmal gar nicht mehr sprechen. Das sind eher Schlaglochsammelstellen. Der Taxifahrer merkt, dass mich nichts erschüttern kann, und sagt, dass er ebenfalls gern mit dem Rad unterwegs sei. Aber nur in flachen Gegenden. Ich empfehle ihm Hannover

"Dort ist es flach und man kann gut mit dem Rad fahren."

Sehr begeistert ist er nicht. Statt dessen scheint er sehr begeistert von der Kirche in Sao Martinho zu sein, die links oben steht. Sieht er mich dort schon in einem Sarg liegen, während die Gemeinde meinen Sturz vom Fahrrad mit Todesfolge beweint?

Meine erste Fahrt mit dem neuen Rad gestalte ich nach dem Motto "Runter kommt man immer". Das Häusermeer öffnet sich für den Atlantik, ich werfe von der Straße aus einen Blick in das Stadion von Maritimo und trinke im Supermarkt "Pingo Doce" einen Kaffee. Ein Mann spricht mich auf mein neues Rad an, bevor ich weiterfahre, sagt er: "Gott schütze dich." Nicht nur Begeisterung, auch Ermutigung sieht anders aus. 

Montag, 21. Juni 2021

Alltägliches (XXXIX)

Kein Saco an diesem Obststand.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
Nicht zackig genug-oder: Portugiesisch auf Madeira

Bei meinem ersten Besuch auf Madeira im Dezember 2018 bin ich an der Supermarkt-Kasse noch zu langsam gewesen. Meinte ich, weil mir die Kassiererin ein "Zacko" zurief. Also legte ich meinen Einkauf so schnell wie möglich auf das Band und beeilte mich auch sonst. 

Auch den nächsten Kunden begrüßte die Kassiererin  mit "Zacko". Der bekam einen Plastikbeutel. Ohne es zu ahnen, hatte ich meine erste Lektion in Portugiesisch bekommen, und zwar in dem Portugiesisch, das man auf der Insel spricht. Denn "Zacko" schrieb sich "Saco" und würde, wenn die Inselbewohnerinnen und Inselbewohner nicht vieles abkürzen würden, Plastikbeutel bedeuten-Saco de plástico nämlich.

Die Vorliebe für Abkürzungen kennt viele Möglichkeiten und mit den Silben, die eingespart werden, könnte man Romane für mehrere Bibliotheken schreiben: Chal für Funchal, grad statt obrigado oder obrigada, tard für bo tarde...Ein Brasilianer auf Madeira verstünde kaum einen Satz.

Bei meinem zweiten Aufenthalt im Februar 2019 hat mich "Zacko" an der Supermarkt-Kasse nicht mehr beeindruckt, ich nahm nie einen. Dafür wurde ich sogar immer häufiger gelobt.  Nun wohne ich auf Madeira, habe mir ein Fahrrad und einen Rucksack gekauft, die Kassiererinnen fragen mich schon, ob ich heute "nicht einmal ausnahmsweise oder doch vielleicht", um mich zu testen und kommentieren mein Nein mit "good boy", "muito bem", "very good".

Auch am von mir abgelichteten Obststand ist dem Verkäufer meine Einstellung inzwischen bekannt. Als er Bananen in eine durchsichtige Plastiktüte stopfte, wies ich ihn darauf hin, dass diese Frucht nicht nur ihre eigene natürliche Verpackung hat, ich sagte auch "No plastic for the Atlantik". Und schon holte er die Bananen wieder aus der Tüte heraus.  

Wird fortgesetzt

Mittwoch, 26. Mai 2021

Alltägliches (XXX)

Super, diese Preise!
Mathematik für Biertrinker


Kürzlich hat das "Journal Madeira" eine Rangfolge der Schulen nach Durchschnittsnoten veröffentlicht. Dagegen protestierten mehrere Schulleiter, weil sie dieses Ranking nicht für sinnvoll hielten. Sinnvoller wäre wohl auch eine Veröffentlichung der Durchschnittspreise für Bier in den "Continente"-Supermärkten, die schon einmal "Observer"-Thema waren.

Madeira hat sein eigenes Bier, das "Coral" heißt, dieses Bier läuft bei "Continente" aber außer Konkurrenz für 1,24 Euro die 0,33-Liter-Dose. In Portugal gern getrunken wird "Sagres". Kostet ein paar Schritte weiter 1,19 Euro die 0,33-Liter-Dose. Dieses Bier gibt es auch in 0,25- und in 0,5-Liter-Dosen.

1,19 Euro durch 33 mal 25 macht o,92 Euro für einen viertel Liter und 1,84 Euro für einen halben Liter. Bei "Continente" nicht. 0,25 Liter kosten 0,49 Euro, ein halber Liter 0,87 Euro.

Nun raten Sie mal, für welche Dose ich mich entschieden habe. Falsch. Für keine. Auf meinem Heimweg gibt es mehrere Supermärkte. Dort kostet die 0,33-Liter-Dose 0,59 Euro. Ohne viel Rechnerei.  


Sonntag, 16. Mai 2021

Alltägliches (XXVII)

Pünktlich sein.

Auf die Minute genaue Verspeisung des einwandfreien Inhaltes von "pingo doce"-Joghurtbechern

"Consumir até 28. Mai 15.17 Uhr." Das passt mir. Denn der 28. Mai ist ein Freitag. Um 15.17 Uhr alle vier Joghurt-Becher ausgelöffelt zu haben, dürfte kein Problem sein. Ich muss vorher nur alle Uhren kontrollieren. Nicht auszudenken, wenn ich nicht pünktlich fertig wäre.

Auch sonst nimmt es "pingo doce" sehr genau. Jeder Joghurt-Becher ist ein Lesebuch. Nur der Deckel ist spärlich beschriftet. Bis auf die minutengenaue Verfallszeit wird dort nur die Sorte verraten. Ich habe Morango genommen. Und zwar in kleinen Stücken. Pedacos Morango also.

Besonders beeindruckend ist die Rückseite des Bechers. Dort wird mir nicht nur schriftlich, sondern auch mit Symbolen  versichert, dass der Inhalt in jeder Hinsicht einwandfrei ist. Dafür garantieren demnach anerkannte Institute. Erinnert werde ich auch an die minutengenaue Verfallszeit: "Consumir até: ver tampa."

Auf den Joghurt-Bechern nennt das 41 Jahre alte Unternehmen zudem eine Service-Nummer, die ich Tag und Nacht anrufen kann: 808 20 45 45. Sollte ich also die minutengenaue Verfallszeit während des Joghurt-Genusses überschreiten, könnte ich mich in Lissabon erkundigen, was nun zu tun ist oder gemacht werden muss. 

Von das Beste hoffen bis Magen auspumpen lassen, dürfte es für mich viele Möglichkeiten geben. Die auf dem Becher unter der Telefonnummer empfohlene "Visite o site" empfiehlt sich dann wohl nicht mehr. Zeit im Überfluss hätte ich erst wieder nach der ersten Visite eines Krankenhausarztes. Auch für www.pingodoce.pt.



Sonntag, 2. Mai 2021

Alltägliches (XXII)

In einem Supermarkt
gekauft.

Nicht nur der Vater von Jesus, auch ich wurde geschätzt

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.". Heißt es im Evangelium nach Lukas. Auch ich wurde dieser Tage geschätzt. Bei einer Volkszählung, für die ich per Brief einen Code bekam. Nicht, weil ich wie Joseph aus dem Hause David stammte, war ich nach Madeira gezogen, auch nicht, weil ich aus dem Hause Tjaden stamme, sondern weil mir die Insel bei jedem Aufenthalt besser gefiel. 

Der Code funktionierte, gefragt wurde ich online erst einmal nach meinen Personalien, so fand das Volkszählungs-Programm heraus, dass ich ein Ausländer war. Gefragt wurde ich nun, ob ich lesen und schreiben könne. Darüber wunderte ich mich sehr, denn ohne diese Fähigkeiten wäre ich wohl kaum in dem Online-Fragebogen so weit gekommen. 

Lesen und schreiben kann ich zwar, aber mit Portugiesisch habe ich so meine Probleme, deswegen nutze ich jede Gelegenheit zum Lernen. Neulich im Katharinenpark, als ein kleines Mädchen seinem Bruder die Zahlen von eins bis zehn beigebracht hat. Ich lauschte und radelte dann weiter zu einem Supermarkt. Dort kaufte ich mir ein Bilderbuch für Zwei- bis Siebenjährige.

Heute saß ich am Atlantik und staunte darüber, wie viel Portugiesisch die Kleinen auf Madeira in dem Alter bereits beherrschen. Schon den Titel "Historias de Encantar" ("Geschichten der Verzauberung") verstand ich nicht. Dennoch unverzagt schlug ich das Buch auf. Eine der Geschichten handelte von dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, Verzeihung, Cum-ex, wieder Verzeihung, Tipp-ex, handelte von "O Pinóquio". Sie wurde so eingeleitet: "Certo dia, Gepeto decidiu fazer um boneco. Era um boneco grande, de madeira, que tinha as pernas e os bracos articulados. Quando o terminou, disse em voz alta: Adorava que tu fosses/Um menino verdadeiro!/ Sempre desjei um filho/um enterno companheiro!"

Was für diese Holzpuppe gelten soll, wünscht sich die SPD auch von ihrem Kanzlerkandidaten? Der dritte Absatz passt übrigens zu dem eingangs erwähnten Joseph: "Durante a noite, uma fada entrou na casa do carpinteiro e, enquanto ele dormia, pegou na varinha mágica e deu vida ao boneco." Nun finden Sie in diesem Satz mal das Wort "Zimmermann". 

Donnerstag, 18. März 2021

Alltägliches (XVI)

Dort lasse ich mir Zeit.

Für mich bezahlt der Supermarkt "Continente"

Eigentlich bin ich nirgendwo schneller als in einem Supermarkt. Durch die Gänge eilen, zur Kasse gehen, raus. Anders in Funchal. Dort lasse ich mir Zeit. Denn bei "Continente" schnell sein, kann teuer werden. Dann bezahlt man für eine Tüte Schoko-Croissants 1,07 Euro, für 0,3 Liter Bier 64 Cent, für sechs Becher Joghurt 1,99 Euro. Beispielsweise. Das sehe ich nicht ein. Denn bei "Continente" purzeln und steigen die Preise schneller als so manche Aktienkurse. 

Super preço lautet das Zauberwort, das Eile teuer und Spaziergänge zwischen den Einkäufen lohnend macht. Eine Stunde später kostet die Tüte Schoko-Croissants 67 Cent. Die nehme ich mit, Bier- und Joghurt-Preis sind unverändert. Nehme ich noch nicht mit. Wieder eine Stunde später hat auch der Joghurt einen Superpreis. 99 Cent für sechs Becher. Die Schoko-Croissants haben keinen Superpreis mehr. 1,14 Euro. Bier unverändert. Joghurt nehme ich mit. 

Dritter Einkauf. Bierpreis ebenfalls gesunken. 0,3 Liter kosten zwar immer noch 64 Cent, ein Liter aber 1,49 Euro statt 1,99 Euro. Inzwischen habe ich bei meinem Lieblingsbäcker in der Altstadt eine Tasse Kaffee für 80 Cent getrunken und ein Stück Kuchen für 60 Cent gegessen. Finanziert von "Continente". Bekomme ich nun auch noch das Toastbrot preiswerter, kostet mich auch die Busfahrt nichts mehr. 

Samstag, 16. Januar 2021

Umzug nach Funchal (IV)

Auch mein Zimmergenosse
Hans Michel aus Leipzig
muss auf Freizeichen warten.
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Turm in der Corona-Schlacht

Er ist der Turm in der Corona-Schlacht und verwehrt, schwarz gekleidet, groß und stämmig, Covid-19 den Zutritt zum Supermarkt. Nichts am Eingang entgeht ihm. Wer sich nicht die Hände desinfiziert, wird von ihm zurückgeholt.  Sobald jemand den Supermarkt verlässt, lässt er jemanden hinein. Da der Supermarkt früher schließt als sonst, bilden sich am späten Nachmittag lange Schlangen, die er nicht aus den Augen lässt. 

Auch nicht aus den Augen gelassen hat er meine Sonnenbrille, als ich den Supermarkt betrat. Die legte ich mitsamt Einkaufsbeutel in den Korb, den ich hinter mir herzog. Als ich bezahlt hatte, verstaute ich meinen Einkauf im Beutel, die Sonnenbrille war nicht mehr im Korb. Also packte ich alles wieder aus. Sonnenbrille unauffindbar. Die Waren kehrten in den Beutel zurück und ich kehrte dem Supermarkt fast schon den Rücken. 

Doch vorher streckte er am Ausgang seinen linken Arm aus, meine Sonnenbrille in der Hand. Die überreichte er mir mit einem breiten Grinsen unter seiner schwarzen Maske. Er ist also auch der Turm in der Schlacht gegen verlorene Sonnenbrillen. 

Mittwoch, 8. Januar 2020

Fünfte Reise (III)

Er sieht alles.
Der erste schweißtreibende Spaziergang

Da bin ich nun. Meinen ersten Spaziergang habe ich auch schon hinter mir. Gestartet bin ich, wie mir das meine Gastgeberin Yvonne Caspanni Pessers empfohlen hat. Sie schreibt in ihrem Gästeordner: "Wenn Sie in der direkten Umgebung etwas zu Fuß gehen wollen, empfehle ich Ihnen, nicht die steile Zufahrt hinaufzugehen, sondern vorbei an allen Ferienhäusern bis ´Sercial´, rechts die Treppe hoch und durch die Gasse hinter meinem Haus. Das sind insgesamt ein paar Meter mehr, aber erheblich bequemer zu gehen."

Vom Nachbardorf Estrela trennen mich zwei Kilometer, bis zu einem Mini-Markt sind es fünf Minuten zu Fuß. Ich habe mich für die dritte Möglichkeit entschieden. Seitdem weiß ich, was Waden sind. Die brauche ich bergab zum Bremsen, bergauf zum Schwung holen. Unterwegs wende ich mein Portugiesisch an. Erkundige mich nach einem Supermarkt und gebe nach einer  halben Stunde auf. Die Sonne legt ein höheres Tempo vor als ich. Die Temperaturen steigen. Ich ziehe meinen Pullover aus.

Überall wird bereits fleißig gearbeitet, Arbeiter pflücken Bananen, bauen ein Haus und was sich sonst noch so tut, beobachtet ein Hund vom Dach eines Hauses aus. Ich werde mich nun erst einmal auf dem Balkon meiner Ferienwohnung ausruhen. Das tun die Kinder, die rechts hoch eine Schule besuchen, auch. Sie sind nur etwas lauter als ich. Und überall bellen Hunde.

Fünfte Reise (IV) 

Montag, 29. April 2019

Cliente Seguinte (III)

Für die Neugierigen

26. April 2019. Sie möchten gern wissen, wie die Geschichte weitergeht? Das erfahren Sie aus dem e-book, das soeben bei Amazon im Kindle-Shop erschienen ist. Die Print-Ausgabe erscheint in wenigen Stunden.

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Cliente seguinte (I)

29. April 2019. In zwei Kategorien liegt das e-book schon unter den ersten 100. Als Print belegt die liebe Geschichte Platz 105. 

Donnerstag, 18. April 2019

Cliente Seguinte (I)

Carolina - lieber unlogisch

Wenn Frauen unlogisch sind, dann ist sie die Erfinderin dieser Eigenschaft. "Du musst obrigado sagen", ruft sie mir im Vorübergehen in ihrem Hostel zu und bedankt sich bei mir an den folgenden Tagen mit "thank you". Also wechsele ich zum Englischen, worauf sie mit Portugiesisch reagiert. Wieder tagelang. 

Nebenbei bringt sie mir auch noch bei, dass ich "obrigado" sagen muss, weil ich keine Frau bin. Da sie eine sei, sei ihr "obrigada" vorbehalten. Das kann ich mir bei meinem ersten Besuch in Funchal merken, obwohl Carolina, so  heißt die vermeintliche Erfinderin der Unlogik, bis zu meiner Abreise nur noch Englisch mit mir spricht.  

Die Kassiererin im Supermarkt, die auf dem Display durch ihre Brille nur die Summe sieht, die ich bezahlen muss, spricht dagegen immer Portugiesisch, und da ich mir "obrigada" gemerkt habe, freut sie sich wohl heute noch über eine neue Kundin im Supermarkt. Ob sie zum Bekanntenkreis von Carolina gehört, weiß ich nicht. Vermute ich aber. Denn irgendwann antwortet sie mit "obrigado". Im Schaufenster des Supermarktes überzeuge ich mich nach diesem Einkauf davon, dass ich immer noch ein Mann bin. Wer weiß schon, was Carolina so alles mit mir anstellt, während sie mir Nachhilfe in Portugiesisch verspricht, um anschließend Englisch zu sprechen.

Im Zweiten Deutschen Fernsehen wird Anfang Dezember 2018 noch durchgehend Deutsch gesprochen. Ich schalte meinen Fernseher ein, fantastische Bilder fesseln  mich an mein Sofa, bis die Reportage über Madeira beendet ist. Unverzüglich buche ich eine Reise, finde im Internet ein Hostel und ahne nicht, dass Carolina auf mich zukommt. Der Zufall sei der Schnittpunkt zweier Notwendigkeiten, hat ein weiser Mann gesagt. Hätte er die vermeintliche Erfinderin der Unlogik schon gekannt, als ihm dieser Satz einfiel - dann: wäre ihm dieser Satz nie eingefallen. Denn diese Frau kann kein Zufall sein.

Geboren ist sie in Santa Cruz. Erzählt sie mir bei meinem dritten Aufenthalt in ihrem Hostel. "Near the airport", sagt sie. Diese Information gebe ich abends an andere Gäste weiter. Eine Niederländerin, die der Unlogik wohl nicht so mächtig ist wie Carolina, fragt mich, ob unsere Gastgeberin in einem Flugzeug zur Welt kam. Das glaube ich nicht. Denn Landungen auf dem Flughafen von Madeira sind zu jener Zeit wegen der Fallwinde noch gefährlich gewesen, und eine Mutter, die solche Kinder wie die vermeintliche Erfinderin der Unlogik bekommt, würde kein Risiko eingehen. Heute gibt es eine neue Landebahn, die ins Meer ragt, aber Carolina lässt sich trotzdem nicht wiederholen.

Also halte ich fest: Carolina ist in Santa Cruz einmalig geboren. In diesem 500 Jahre alten Ort lebt man von der Landwirtschaft und von der Fischerei, einige wenige von touristischen Dienstleistungen - aber nur eine Einwohnerin kommt in dieser Geschichte vor, die mir gelegentlich über die Schulter schaut. Ursprünglich lautet der Beginn dieser Geschichte so: "Sie streichelt den Boden des Hostels nicht mit ihren Füßen, sie zeigt ihm, dass sie da ist." Ein Übersetzungsprogramm macht daraus: "Ela nao acariciou o chao com os pes, ela mostra que ela esta la."

Carola liest diesen Satz und sagt: "I need more sentences." Portugiesisch scheint mir das nicht zu sein. Aber immerhin hält sie es für möglich, dass dieser Satz auf Deutsch ganz gut klingt. Gerade eben hat sie sich noch darüber gefreut, dass ich eine Geschichte schreibe - nun vergisst sie, dass zu mehreren Sätzen in einer Geschichte auch der erste gehört. Was in diesen Augenblicken mit ihrem Gesicht geschieht, lese ich am liebsten von ihren Augen ab, die sich in Sekundenbruchteilen von strahlend schön in skeptisch prüfend wandeln, und nie muss ich lange darauf warten, dass sie sich umdreht und geht, um fröhlich zurück zu kehren.

Wie vor wenigen Sekunden. Sie liest den ersten Satz, also den neuen. "Translate in english", sagt sie. Mache ich.  "If Women are illogical, then she is the Inventor of this Trait." Sie zieht ihre Augenbrauen hoch. "Peter, Peter", sagt sie und geht. Ich stecke meine Zigarette wieder an, obwohl sie rauchen für schädlich hält.

Cliente seguinte (II)