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Freitag, 8. Juli 2022

Alltägliches (226)

Vor lauter Musik hört man
den Atlantik nicht. 
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Der genervte Mann und das Meer

Jedes Meer singt seine eigene Melodie. An die vielstimmigen Melodien des Schwarzen Meeres mag ich gerade nicht denken, dort will ein Vollidiot aus Moskau das Orchester kapern und dirigieren. Würde ihn doch einer dieser Wellen erfassen! Die Nordsee kann wütend klingen, während die Ostsee nur leise summt. Wenn sich der Wüstensand aus Nordafrika auf das Mittelmeer legt, wird daraus ein stummes Meer. Die Karibische See flüstert nur. 

Der Atlantik dagegen grollt, weil er nie weiter kommt als bis zum Ufer. Der Wind bläst die Wangen auf, bis die Wellen brechen. Auf die Musik des Atlantiks freue ich mich schon, während ich einen schwarzen Tee bestelle und die Zeitung aufschlage. Weitere Gäste kommen. Jemand dreht die Musikanlage auf. Dagegen kommt auch der Atlantik nicht mehr an. Die Sängerin winselt und jammert, als werde sie aufs offene Meer hinaus getrieben. 

Ich bezahle den Tee, radele weiter bis zu einer Mauer, auf die ich mich setzen will, um dem Meer zu lauschen. Jemand setzt sich neben mich-und er macht es wirklich. Was ich befürchte, das tut dieser 18-Jährige. Er holt sein Smartphone heraus und ruft die Liste seiner Lieblingslieder auf. Der Sänger winselt und jammert-hoffentlich, weil er auf das Meer hinausgetrieben wird. 

Montag, 23. August 2021

Alltägliches (LXXI)

Hier stellt mein Nachbar
seine Wäsche aus.
Foto: Heinz-Peter Tjaden

Todeskampf auf fröhlicher Insel

Dies ist der zweite Bericht über unsere Wohngemeinschaft (drei Frauen, drei Männer, der Professor wohnt schon lange nicht mehr bei uns). Das Haus hat zwei Stockwerke, oben wohnt eine ältere Dame, mein Balkon-Nachbar ist ein junger Mann (grußloser Künstlertyp, niemand geht an den anderen schneller vorbei als er, alle trocknen ihre Wäsche auf dem Hof, er auf seinem Balkon). 

"Die Wände sind wie aus Pappe", hat gestern Abend in einem Fernsehkrimi eine Frau zu einem Mann gesagt. "Man hört hier jedes Geräusch." Diese Pappe ist auch bei unserem Haus verwendet worden. Besonders gut hört man jedes Geräusch aus dem Treppenhaus. 

Auch eines Morgens. Jemand röchelt. Die ältere Dame aus dem ersten Stock? Ich greife nach meinem Handy. Die Notrufnummer in Portugal lautet 112. Ich öffne meine Zimmertür. Mein Daumen berührt schon die 1. Doch das Röcheln kommt gar nicht aus dem ersten Stock.  Das Röcheln kommt aus dem Smartphone meines Balkon-Nachbarn.  Der Tod der Sängerin ist wohl nicht mehr zu vermeiden. 

Bei den Opern, die ich kenne, dauert sowas mehr als fünf Minuten. Moderne Opern dagegen kenne ich überhaupt nicht. Die scheinen nicht nur mit Todeskämpfen zu enden, sondern auch zu beginnen. Das Gejammer von nebenan hört jedenfalls nicht auf. Dann der Schock. Nun singt auch mein Nachbar. Ich schalte mein Radio ein. Eine Geige weint-und ich habe Madeira für eine fröhliche Insel gehalten. 



Montag, 7. Juni 2021

Alltägliches (XXXIV)

Handelt sie auch mit
Zitronen? Foto: Tjaden
Palmen auf Uferpromenade statt Lemon Tree in Fools Garden

Der Chef der portugiesischen Sozialisten António Costa, der trotzdem auch als Cristiano Ronaldo unter den Sozialdemokraten Europas gilt, hält Madeira für schwierig, wenn es um die Politik geht. Aus Touristen Bürger der Insel zu machen, scheint dagegen zumindest einer Mitarbeiterin der Touristik-Branche leicht zu fallen. Aus dem Fools Garden mit Lemon Tree hat sie mich zu den Palmen auf der Uferpromenade in Funchal geführt. 

Jüngst hat sich eine deutsche Wochenzeitung mit der Wirkung von Musik beschäftigt, denn Musik kann etwas, was keine andere Kunstrichtung so gut kann. Sie kann Gefühle wecken, kann Erinnerungen wach werden lassen und schon sitzt man da und summt "Try to remember of love in september" oder man singt dieses Lied sogar laut, denn auf Madeira wird viel gesungen. 

Im September vorigen Jahres wäre ich eigentlich gar nicht zum sechsten Mal auf der Insel gewesen. Denn ich wollte im Juni die EURO 2020 auf Madeira erleben, als feststand, dass Portugal und Deutschland in einer Gruppe spielen. Doch das Turnier wurde wegen Corona verschoben. Also kam ich im September. Besagte Mitarbeiterin der Touristik-Branche gestand mir - als ich ihr erzählt hatte, dass ich mit dem Gedanken spiele, beim nächsten Mal für immer zu bleiben -, dass sie mich beobachte wie Bob Marley in dem A-la-la-la-Song.  Und zitierte sogleich aus dem Song "Lemon Tree" von Fools Garden "I wonder high, I wonder why". 

Wen ich danach auch fragte, alle hielten das für ein Signal-das wir allerdings wohl alle missverstanden. Denn seit ich auf der Insel bin, gab es nur eine kurze Begegnung mit ihr, dann ging sie ihrer Wege, wahrscheinlich um sich darüber zu freuen, dass sie als Mitarbeiterin der Touristik-Branche es sogar geschafft hatte, aus mir einen Bürger zu machen.

Nun bin ich seit über 100 Tagen ununterbrochen hier. In der Politik gelten 100 Tage als Bewährungsfrist für eine neue Regierung, in der die Neuen geschont werden. Ich habe Madeira nicht geschont. Mich auch nicht. Ich habe mir so schnell wie möglich ein Fahrrad gekauft.  


Freitag, 28. Dezember 2018

Ferien auf der Blumeninsel (IV)

Sie schwimmt lieber allein.
Die Ente, die allein schwimmt

24. Dezember 2018. Da auf Madeira auch im Dezember meistens die Sonne scheint, ist immer Ferienzeit. Auf der Uferpromenade von Funchal bieten Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker auf Decken Geschnitztes an, ein Schwarzafrikaner spricht perfekt Deutsch, weil er an der Ruhr-Universität in Bochum studiert hat. 

Funchal ist Musik und Tanz. Überall. Man spaziert vorbei an sprudelnden Brunnen, Tauben picken auf, was Touristinnen und Touristen am Mund vorbei gekrümelt haben, in einer Allee protzen die Regierung und das Militär mit einem  Gemäuer, das einer Burg gleicht, ein Musikant aus Ecuador spielt Panflöte. Crepes mit einer Kugel Eis verwöhnen den Gaumen. Das Auge wird kostenlos verwöhnt. 

Eine schwarze Ente interessiert das alles nicht. Sie teilt einen der Brunnen mit niemandem. Sie schwimmt dort allein und denkt sich wohl #madeiranowordsneeded.