Mittwoch, 13. Juli 2022

Alltägliches (228)

In der Küche gefunden.


Wüste Beschimpfungen auf dem Küchentisch

Madeira ist und bleibt für mich eine faszinierende Insel, und ich bleibe dabei, dass die Mentalität auf dieser Insel der im Berner Oberland gleicht. Ein Gesprächspartner von mir bestritt das zwar, weil er meinte, dass die besagten Schweizerinnen und Schweizer inzwischen etwas umsichtiger seien, aber mit seinem Vorschlag, mich für die Katalanen zu entscheiden, konnte ich mich nicht so recht anfreunden, weil Madeira bereits autonom ist. 

Faszinierend sind auch die Baustellen auf Madeira. Man stellt ein Schild hin und mit allem sonst müssen die Leute fertig werden. Was in dieser Hinsicht gerade auf der Estrada Monumental geschieht, hat schon etwas Wundersames. Auf Baustellensicherung scheint dort niemand Wert zu legen, trotzdem hat es dort noch keine Toten gegeben.  Manchmal habe ich das Gefühl: Ich soll der Erste sein. 

Doch vorher noch will mich ein weibliches Mitglied der Wohngemeinschaft, in der ich lebe und in der ich für Nachtruhe von Mitternacht bis 6 Uhr morgens und Sauberkeit kämpfe, mit der vielleicht auch wieder die Kakerlaken vertrieben werden könnten, vor Gericht zerren. Das hat sie mir heute in einem Brief mitgeteilt, der auf dem Küchentisch lag. Sie beruft sich dabei auf den Krach der anderen, den es allerdings seit ein paar Tagen nachts nicht mehr gibt, und nennt mich einen "doofen alten Mann". Was Stalking ist, scheint sie nicht zu wissen, denn ich spreche nur mit ihr, wenn sie wieder einmal zu laut ist, ich sage nicht einmal etwas, wenn sie sich von mir etwas leiht, was ich dann beschädigt wieder bekomme. Auch sonst vergreift sie sich ziemlich im Ton, und ich frage mich, warum.

Den Brief habe ich eingescannt, um ihn der Nachwelt zu erhalten, dann ging ich zu der nahegelegenen Taverne, ein Gast drückte mir wie jeden Morgen die Zeitung in die Hand und plauderte mit mir über Fußball. Dass ich kein Fan von Benfica Lissabon bin, wird mir nicht mehr angekreidet. Ich bin gern dort und gern gesehen.  

Dienstag, 12. Juli 2022

Alltägliches (227)

Oben rechts: Meine
Nummer in der 
Warteschlange und
weitere Hinweise.
Unten links: 
Vielleicht bin ich
dort richtig.  
Seguranca Social: Mehr Schein als Service

Der Schein trügt bei der Seguranca Social (Sozialversicherung). Pessoas em Espera: 23. Steht drauf. Also: Vor mir sind noch 23 Personen dran. Tolerancia de Atendimento até 3 senshas. Steht auch drauf. Es können also auch 20 oder 26 sein. Hora prevista de Atendimento: 16.26 Uhr. Stimmt ebenfalls nicht. Denn um 16.26 Uhr bin ich noch lange nicht dran. Eigentlich nie. Vielleicht bin ich hier sogar falsch. 

Seit einer Woche bemühe ich mich um einen Stempel. Den brauche ich für eine Lebensbescheinigung der deutschen Rentenversicherung. Ohne Stempel bekomme ich keine Rente mehr. Die Post kann angeblich nicht bestätigen, dass ich lebe, die Polizei weiß nicht, ob sie mir bestätigen dürfte, dass ich noch lebe, das Rathaus ist sicher, dass man mir auf der anderen Straßenseite bestätigen würde, dass ich noch lebe, doch dort gibt es nicht einmal die Glastür, durch die ich gehen soll.

Doch gestern Nachmittag gegen 15 Uhr war mir eine Behörde hold. Eine nette Mitarbeiterin schrieb mir auf (Foto oben links), wo ich wahrscheinlich richtig sein würde, dort traf ich kurz vor 16 Uhr ein, eine Mitarbeiterin der Seguranca Social begleitete mich bis zum Schalter 21, dort zog sie um 15.51 Uhr die Nummer A  197 für mich. Ich machte einen Spaziergang, kehrte um 16.15 Uhr zurück und stellte laut Anzeige in einem der Wartesäle mit mehreren Schreibtischen, auf denen Computer standen, fest, dass angeblich noch 15 Personen vor mir an der Reihe waren. Das blieb laut Anzeige auch so.

Gegen viertel vor fünf kam mir das, was auf meinem Schein mit der Nummer A 197 stand, nicht mehr sehr vertrauenswürdig vor. Ich ging wieder zum Informationsschalter, dort saß  eine andere Mitarbeiterin, die ins Grübeln kam. Der Schalter, an dem ich wahrscheinlich richtig sei, sei seit 15 Uhr geschlossen. Dabei handele es sich auch nicht um den Schalter 21, sondern um den Schalter 19. Sie schrieb mir die Schalternummer und die Öffnungszeit auf. Das sah ziemlich vertrauenswürdig aus. 

Samstag, 9. Juli 2022

Liebe Kinder (VI)

São bocas tão pequenas que
pronunciam tudo. Nunca se
pode proibi-lo; caso contrário,
nada mais resultará disso.

"Halt die Klappe" ist nicht nur schlechtes Deutsch

Heute bringe ich euch ein wenig Deutsch bei. Nur ein wenig. Denn, was heute am Katharinenpark eine deutsche Mutter zu ihrer kleinen Tochter gesagt hat, müsst ihr eigentlich gar nicht verstehen. Da es aber sein könnte, dass ihr einem traurigen Kind begegnet, das aus Deutschland kommt, wüsstet ihr dann wenigstens warum. 

"Halt die Klappe", hat diese Mutter zu ihrer kleinen Tochter gesagt. Mit Klappe meinte sie den Mund ihrer kleinen Tochter. Sie wollte also der Kleinen den Mund verbieten. Was man bei Kindern nie machen sollte, weil Kinder immer etwas zu erzählen haben. Für erzählen kann man auch berichten, plaudern, plappern, sprechen oder mitteilen sagen. 

Die Kleine antwortete ihrer Mutter in einem ganz ruhigen Ton. Sie sagte: "Dich interessiert doch gar nicht tatsächlich, was ich für einen Fehler gemacht haben soll." Bei Fehlern handelt es sich um etwas, was man eigentlich nicht tun sollte, weil es nicht gut für die anderen oder für einen selbst ist. Wenn man es dennoch getan hat, sollte man aus Fehlern lernen. Das kann man aber nur, wenn man darüber spricht. Die Klappe halten, ist also falsch und kein gutes Deutsch.

Der kleinen Tochter ist zwar der Mund verboten worden, aber zum Schweigen wurde sie von ihrer Mutter nicht gebracht. Sie sagte ihre Meinung in einem ruhigen Ton, weil sie jetzt schon klüger ist als ihre Mutter, der eigentlich der Mund verboten werden müsste.

Liebe Kinder (VII)