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Schön ist die Insel. Foto: Heinz-Peter Tjaden |
Über
Madeira
Lasst uns
reden. Über eine Insel, die ihre Schönheit aus ihrer Entstehung
bezieht. Entstanden ist Madeira vor 18 Millionen Jahren in mehreren
Phasen. Die Insel wurde im Laufe der Jahrmillionen immer größer,
vor 740 000 Jahren wuchs Madeira besonders im Westen und Süden. Im
Norden und Süden bildeten sich die Steilhänge. Funde deuten darauf
hin, dass es erst vor 6450 Jahren aufhörte zu rumoren.
In der
Politik ist das nicht der Fall. Dort rumort es bis heute. Auch auf
Madeira können Sozialdemoraten das am besten, was sie schon immer am
besten gekonnt haben: Sie streiten sich und zerfallen in die rechte
und in die linke Sozialdemokratie.
Wenn die
Rechten und die Linken auf der Gegenseite keine Schuldigen mehr
finden, werden sie in Lissabon gesucht. Wenn man dem Regierungschef
von Madeira, Miguel Albuquerque, glauben darf, gibt es in der
portugiesischen Hauptstadt sogar Kolonialisten, die allzu gern die
Insel unterwerfen würden.
Wer zu
den Glückseligen gehört, fürchtet eben dummerweise immer, dass man ihm diese
Glückseligkeit streitig machen will. Auch die Kanaren, die
Kapverden und die Azoren werden zu den glückseligen Inseln gezählt.
Ob man auch von diesen Inseln nur das obere Viertel sieht, weiß ich
nicht. Auf Madeira ist das so. Zum Vulkansystem gehören Klippen,
die bis zu 4 000 Meter in die Tiefe stürzen.
So ist
das auch mit dem Gemüt der Menschen, die auf Madeira leben. Erst bei
einem Vulkanausbruch erfährt man, was unter der Oberfläche brodelt.
Darüber habe ich mich kürzlich mit einem Mann aus
Lissabon unterhalten, den ich in einem Cafè traf. Er fragte mich,
wie ich mich auf der Insel fühle. Da ich weder ein Philosoph noch
ein Psychologe bin, fasste ich mich kurz.
"Man
muss sich daran gewöhnen, dass viele auf der Insel keine seelische
Mitte haben. Sie sind entweder obenauf oder wie am Boden zerstört."
Da auch
mein Gesprächspartner, ein Mann um die 50 und mit Rucksack auf der
Insel unterwegs, kein Philosoph oder Psychologe war, kam auch er
gleich zum Wesentlichen.
"Und
warum leben Sie seit fast zwei Jahren auf Madeira?"
"Wegen
einer Frau", war die für ihn keinesfalls verblüffende Antwort
meinerseits.
Auch
diese Frau hat ihre Klippen. Sie überraschte mich am 14. September
2020 mit dem Geständnis "Ich beobachte dich". Sie fühle
sich wie im "A la la la long" von Bob Marley und wundere
sich so sehr über ihre Gefühle wie "Fools Garden" in
"Lemon Tree".
In
"A la la la long" beobachtet ein Mann eine Frau, Bob Marley
singt "Girl I want to make you sweat, sweat `til you can´t
sweat no more, and if you cry out I´m gonna push it some more."
Seit
meiner Ankunft auf der Insel am 5. Januar 2021 hat mich diese Frau
keinesfalls ins Schwitzen gebracht, unsere Begegnungen sind immer
nur zufälliger Natur, meiner Frage, ob ich am 14. September 2020
etwas missverstanden habe, weicht sie bis heute aus.
In
Deutschland würden diese beiden Lieder zu einer Liebeserklärung
gehören, wie sie nicht schöner sein könnte. Ihr anschließendes
Verhalten würde man als Angst vor der eigenen Courage bezeichnen.
Auch
die Frau aus dieser Geschichte hat offenbar Angst vor der eigenen
Courage. Möglicherweise gefällt sie sich inzwischen sogar schon so
sehr in der Opferrolle, dass jedes Drama noch dramatischer sein muss
als das vorherige. Lässt man sie – wie ich – kein Opfer sein und
vertritt auch noch eine eigene Meinung, bricht der Vulkan aus – und
als Mann steht man an einer Steilküste.
Aus meiner Erzählung "Dildos sind auf Madeira tabu"