Montag, 13. Dezember 2021

Alltägliches (168)

Helles Köpfchen?

Glühbirnen heller als die Sonne?

Zwei Dinge braucht das Klima auf Madeira: den Golfstrom und die Nordostpassatwinde. Versiegt der Golfstrom und schützen die Passatwinde nicht mehr, könnte die Insel eines Tages sogar unbewohnbar sein.  Klimaschutz ist also für diese Insel besonders wichtig. Das scheint vielen nicht klar zu sein. 

Bei der Energieerzeugung spielen Wasser- und Windkraft eine geringe Rolle. Für Windräder ist die Beschaffenheit der Insel nur selten geeignet, für Generatoren, die mit Wasserkraft laufen, ist das Gefälle meistens zu gering. Da es auf Madeira weder Öl noch Kohle gibt, müssen fossile Brennstoffe importiert werden. Doch um den Ruf dieser Brennstoffe ist es schlecht bestellt. Der Klimawandel lässt schön grüßen. Auch das Wasser des Atlantiks wird immer wärmer, immer wärmeres Wasser ist der Stoff, aus dem die Hurrikans sind. 

Da müsste der sparsame Umgang mit der Energie längst allen in Fleisch und Blut übergegangen sein. Ist aber nicht so. In Deutschland singt man bei ausgelassenen Partys "Bei Meiers brennt noch Licht, nach Hause geh´n wir nicht", auf Madeira müsste das Lied "Bei Meiers brennt immer Licht" heißen. Die Sonne mag noch so strahlen, das Licht der Glühbirnen wird für heller gehalten. Nicht nur in der Wohngemeinschaft, in der ich lebe, auch in den Supermärkten, in denen ich einkaufe.

Auch die Kommunen scheinen es mit den Augen zu haben. Die Straßenlaternen haben gegen die Sonne zwar keine Chance, aber man kann es ja mal probieren.  




Samstag, 11. Dezember 2021

Alltag (167)

So schön ist Hannover.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
(im Maschpark)

Ein längeres Gespräch über die Unterschiede zwischen Deutschland und Portugal

Diese Unterhaltung hat gestern länger gedauert als erwartet. In der Altstadt von Funchal hielt mich ein Mann, der Touristinnen und Touristen mit einem Tretmobil durch die Gegend kutschiert, wegen meines Fahrrades an. Das sei toll, meinte er, er habe auch so eins. Ebenfalls gekauft bei Decathlon in Sao Martinho. 

Die Unterhaltung verlängerte er mit der Frage, woher ich käme. Als ich "aus Hannover" antwortete, fragte er mich, ob diese Stadt in Deutschland liege. Ich erzählte ihm einiges über diese Stadt, die sehr schön sei, er rief auf seinem Smartphone eine Deutschland-Karte auf und stellte fest: "Liegt bei Hamburg."

Diese Antwort stellte mich zwar nicht ganz zufrieden, aber er hatte schon ein anderes Thema, einen Freund aus Düsseldorf, der Portugal möge, weil es dort weniger Regeln gebe. Das fand ich verständlich. Ich nannte ihm ein paar Beispiele für die Regulierungswut in Deutschland, die während der Corona-Pandemie noch gesteigert werde. Als ich auch noch die Bußgelder erwähnte, die bei Verstößen fällig werden, hielt er mich fast schon für einen Märchenerzähler. Ich beruhigte ihn. Die seien gelegentlich so hoch, dass sie kaum jemand bezahlen könne. Deswegen seien sie in vielen Fällen auch wirkungslos. 

Wenn ich während dieser Unterhaltung schon die Pressemitteilung  einer Polizeidienststelle aus Nordwestdeutschland gekannt hätte, hätte ich ihm auch noch ein Musterbeispiel dafür liefern können, wie man sich selbst belügen kann. Diese Polizeidienststelle berichtet über einen Kontrollgang durch über 100 Geschäfte, bei der Einhaltung der Regeln habe es nur einen Verstoß gegeben, die Geschäftsinhaber seien dankbar für die Kontrollen gewesen.

Das erinnert mich an den Witz über den Besuch eines Politikers in einer Nervenheilanstalt: Ein Irrer zieht eine Zahnbürste hinter sich her, der Politiker fragt ihn, ob das ein Hund sei. "Das ist eine Zahnbürste", widerspricht der Irre. Als der Politiker außer Hörweite ist, sagt der Irre zu der Zahnbürste: "Den haben wir aber ganz schön angeschmiert, Fiffi."

Dazu ein Beispiel aus der Anfangszeit der Corona-Pandemie. In meinem Lieblingscafé gibt mir die Kellnerin einen Zettel, auf dem ich meinen Namen, meine Adresse, meine Aufenthaltsdauer und die Tisch-Nummer notieren soll. Für den Zettel gibt es am Eingang einen Karton. Ich fülle den Zettel aus und überlege, welchen Sinn er macht. Im Internet finde ich diese Antwort: Er dient der Kontaktverfolgung.  Die Kontaktverfolgung dient der Unterbrechung der Infektionsketten. Nach drei Tagen sind die Zettel immer noch nicht abgeholt worden. 

Nun soll ich diesen Zettel bei der Kellnerin abgeben, die mich bedient hat. Sonst könne nicht sichergestellt werden, dass alle Gäste diesen Zettel ausfüllen. Das klappt aber nur einmal. Beim nächsten Besuch bittet mich die Kellnerin, den Zettel auf dem Tisch, an dem ich gesessen habe, zu hinterlassen. Die nächsten Gäste kommen und geben mir den Zettel: "Sie haben da was vergessen."

Eine Kollegin meiner Kellnerin will mir den Zettel nicht abnehmen, weil das gegen die Vorschriften sei, außerdem habe sie gleich Feierabend. Ich nehme den Zettel mit nach Hause und verfolge meine Kontakte ab sofort selbst. Vor dem Café habe ich seinerzeit übrigens drei Männer und zwei Frauen getroffen, die sich darüber unterhielten, dass sie sich seit gestern nur noch mit zwei Personen treffen dürfen. 

 

 



Donnerstag, 9. Dezember 2021

Alltägliches (166)

Der Weihnachtsmarkt
auf dem Rathausplatz.
Foto: Heinz-Peter Tjaden
Madeira ist reif für eine neue Quizsendung

"Wo ist denn der Eingang?" Diese Frage einer deutschen Touristin auf dem Rathausplatz von Funchal könnte bei "Wer wird Millionär?"  mit Günther Jauch dazu führen, dass bei diesem Quiz nie wieder jemand eine Million Euro gewinnt.  Man müsste nur "Corona-Maßnahmen auf Madeira" als Wissensgebiet einführen. Denn das dafür notwendige Wissen kann sich niemand mehr aneignen. 

Die deutschen Medien berichten falsch, die Regionalregierung findet nichts falsch, kann aber auch nichts begründen. Zugetragen hat sich gestern vor dem Rathaus in Funchal das Folgende: Eine deutsche Touristin will auf den Weihnachtsmarkt, der nur einen bewachten Eingang hat. Sie sieht den schwarz gekleideten Mann, der dort steht und stutzt. Eine Frau will helfen, versteht aber die Frage nach dem Eingang nicht. Die deutsche Touristin erinnert sich daran, dass sie in einem Einkaufszentrum auch so einen schwarz gekleideten Mann gesehen hat. Der habe ihr gesagt, dass sie den anderen Eingang nehmen solle. Die hilfreiche Frau ist ratlos, die deutsche Touristin geht weiter. 

Hoffentlich ist sie nicht zur Kathedrale Sé gegangen. Denn auf der Avenida Arriaga tobt geradezu der Irrsinn. Da das Schnelltest-Zentrum nicht geöffnet ist, könnte die deutsche Touristin dieses Zelt rechts liegen lassen. Verweilen könnte sie bei einem der Konzerte, die viele Besucherinnen und Besucher anlocken. Nach dem Zarco-Denkmal würde man sie daran erinnern, dass sie sich schon einmal nach einem Eingang erkundigt hat. Denn plötzlich verlangen mehrere schwarz gekleidete Männer von ihr einen Impfausweis und eine Testbescheinigung. Sollte sich die deutsche Touristin nun fragen, ob sie etwas angestellt hat, dann müsste man ihr mit dem Gesundheitsminister von Madeira, Pedro Ramos, antworten, dass sie dabei helfen solle, in der vor ihr liegenden hübschen Budenstadt die Infektionsketten zu unterbrechen. 

Würde ihr also Günther Jauch die Frage stellen, wo es in Funchal Infektionsketten gibt, hätte sie die Wahl zwischen diesen Antwortmöglichkeiten: a) auf der Avenida Arriaga, b) auf der Avenida Arriaga vor und nach dem Weihnachtsmarkt, c) auf der Avenida Arriaga auf dem Weihnachtsmarkt, d) überall dort, wo schwarz gekleidete Frauen und/oder Männer stehen. Jede Antwort wäre allerdings falsch. Das werde ich jetzt nicht näher erläutern, die Regionalregierung von Madeira erläutert ihre Corona-Maßnahmen ja auch nicht. 

Auch die hübsche Budenstadt könnte die deutsche Touristin zwar nicht rechts, dafür aber links liegen lassen, was schade wäre, denn bei dem etwa 300 Meter langen Bummel kämen ihr bestimmt viele Geschenkideen. Doch im Stadtpark auf der anderen Straßenseite müsste sie nicht laufend Infektionsketten unterbrechen.  Wenn sie sich dann auch noch daran erinnern würde, dass sie kürzlich nicht weit von hier in einem Basar mit drei langen Schlangen vor den Kassen und überfüllten Etagen ohne schwarz gekleidete Männer und Frauen an den beiden Gebäude-Eingängen gewesen ist, dann müsste sie annehmen, dass es bei der Frage  "Wo ist die Ansteckungsgefahr am größten?" nur eine richtige Antwort geben kann: "Auf kleinen Weihnachtsmärkten, die auf der Avenida Arriaga oder auf dem Rathausplatz stattfinden."