Donnerstag, 27. Januar 2022

Alltägliches (188)

Auch das ist Madeira.
Diese Maske reicht-in 
Deutschländ käme ich 
mit ihr kaum noch
irgendwo rein.
Foto: Patricia Kloppert

Vielfalt statt Einfalt

Ich habe schon immer die Meinung vertreten, dass man den Alltag in einem Land erst kennen lernt, wenn man dort lebt, und ich halte gar nichts von der Auffassung, dass sich ein Ausländer  wie ein Inländer benehmen muss. Vielfalt ist eine Bereicherung, alles andere ist Einfalt. 

Im Netz habe ich Berichte über Madeira gelesen, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun haben. Da werde ich vor Besuchen von Lokalen gewarnt, in denen Einheimische verkehren. Ich bin gern dort. Irgendwann gehört man auch dazu. Das dauert auf Madeira länger als beispielsweise in Mainz, wo ich studiert habe. Auf der Insel muss man erst einmal Marken setzen. Bei meinen ersten Besuchen der Altstadt in Funchal behauptete ich, ich sei Fan des FC Porto. Davon wollen mich immer noch viele abbringen. Gelingt ihnen aber nicht. Das sorgt für immer neuen Gesprächsstoff. 

Ich werde auch nie bereits am Vormittag Poncha trinken. Ich brauche Kaffee, um wach zu werden. Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, lasse ich mein Handy zuhause. Dass in Funchal so viele mit dem Smartphone in der Hand durch die Gegend hasten, reicht. Finde ich jedenfalls. Ich meide Lokale, in denen ununterbrochen der Fernseher läuft. Die Leute, die an mir vorbeilaufen, finde ich viel spannender. Da kann Putin noch so viele Panzer und Soldaten an der Grenze zur Ukraine versammeln. Dass der eine Meise hat, wusste ich schon vorher. Und dass die Vögel vieler anderer Politiker auch nicht viel kleiner sind, ist mir schon lange bekannt. 

Die Rücksichtslosigkeit, die in der männlichen Etage  meiner Wohngemeinschaft herrscht, beantworte ich inzwischen mit noch größerer Rücksichtslosigkeit. Als gestern Nacht wieder einmal ein junger Mann, der sein Zimmer kaum verlässt, meinte, auf seinem Smartphone eintönige Musik hören zu müssen, schaltete ich mein Radio ein. Das ist lauter als jedes Smartphone. Das habe ich ihm bewiesen. Danach herrschte Ruhe. Denn ich habe auch schon immer diese Meinung vertreten: Wer sich mit mir anlegt statt mir freundlich zu begegnen, muss sich auf einiges gefasst machen. Auch auf Madeira.   

Montag, 24. Januar 2022

Alltägliches (187)

Dezember 1965.

Wenn Professoren kiffen wollen

Für mich ist das wie ein "Zurück in die 60-er, 70-er und 80-er Jahre": Im "Jornal da Madeira" plädiert heute ein Professor aus Kanada für die Legalisierung von Cannabis. Filipe Duarte preist in seinem Kommentar die angeblichen Erfolge der kanadischen Regierung, die vor drei Jahren die Freigabe beschlossen hat. Dazu zählt für ihn die sinkende Rauschgift-Kriminalität. Was für ein bekifftes Kunststück! Wenn man z. B. fahrlässige Körperverletzung nicht mehr als Straftat werten würde, würde die Kriminalität gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit ebenfalls sinken.  

Im Deutsch-Unterricht haben wir seinerzeit über dieses Thema diskutiert. Ich vertrat die Auffassung, dass man sich, wenn man schon die Pest wie Alkoholismus und Tablettensucht am Hals habe, nicht auch noch die Cholera an den Hals holen müsse. Zu jener Zeit fanden besonders angeblich fortschrittliche Kreise Sprüche wie "Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund" schick. Bis es dunkel wurde. 

Mit Klaus Rainer Röhl, dem Ex-Ehemann der späteren Terroristin Ulrike Meinhof und Herausgeber der Zeitschrift "konkret", ging einer der wortgewaltigsten Verfechter der Freigabe plötzlich in Sack und Asche. Er legte eine Beichte ab, die es in sich hatte. Ihm war übel geworden angesichts der vielen Kifferinnen und Kiffer, die man nüchtern kaum noch betrachten konnte. In der Lieblings-Disco unserer Klasse zeigte uns der Besitzer, was diese Besoffenen in seinem Lokal anrichteten. Kurz darauf machte er seine Disco dicht. Seine Versicherung war nicht mehr bereit, die Reparaturkosten zu übernehmen. 

Mein persönlicher Vorteil ist: Ich kann nicht einmal diesen süßlichen Geruch ertragen. Und wenn mir jemand damit kommt, dass Alkohol auch eine Droge ist, dann kann ich ihm nur entgegnen: Wein und Bier kann man trinken, ohne besoffen werden zu wollen. Rauschgift nimmt man wegen des Rausches. Die Gefahr der Abhängigkeit ist deswegen viel größer. 

Zum Schluss hätte ich da noch eine Frage an Filipe Duarte: Soll es auf dem legal verkauften Cannabis ebenfalls Warnhinweise geben wie es sie auf Zigarettenschachteln gibt? 

Sonntag, 23. Januar 2022

Alltägliches (186)

Ein unvergängliches
Meisterwerk.
Keine seltsamen Wesen-Dummköpfe

Als Lokalredakteur habe ich Berichten über soziale Probleme oft ein Zitat aus "Der kleine Prinz" vorangestellt. Das will ich auch dieses Mal tun. Denn auch auf Madeira wachsen die sozialen Probleme. Psychologen erklären das derzeit gern mit der Pandemie. 

  • »Was machst du hier?«, sprach er zu dem Säufer, den er stumm sitzend vor einer Reihe leerer und einer Reihe voller Flaschen vorfand.
  • »Ich trinke«, antwortete der Säufer mit düsterer Miene.
  • »Und warum trinkst du?«, fragte der kleine Prinz.
  • »Um zu vergessen«, antwortete der Säufer.
  • »Was willst du vergessen?«, fragte der kleine Prinz, der ihm schon leid tat.
  • »Ich will vergessen, dass ich mich schäme«, gestand der Säufer und ließ den Kopf hängen.
  • »Über was schämst du dich?«, fragte der kleine Prinz beharrlich weiter, denn er wollte ihm helfen.
  • »Ich schäme mich, weil ich saufe!«, sagte der Säufer abschließend und hüllte sich in tiefes Schweigen.                                

Der kleine Prinz schließt aus dieser Begegnung, dass Erwachsene seltsame Wesen sind. Ich muss ihm widersprechen. Einige von ihnen sind unglaubliche Dummköpfe. Als Alkoholiker spülen sie sich den letzten Rest ihres Verstandes weg. Für Rauschgiftabhängige dreht sich irgendwann alles nur noch um den Stoff, aus dem die Alpträume sind. 

Warum den Menschen, die stark bleiben, immer Menschen gegenüber stehen, die schwach werden, ist ein ewiges Rätsel. Mehr Bildung könnte helfen, hört man dann allerorten. Aber auch gebildete Menschen werden Alkoholiker und Rauschgiftsüchtige. Sie laufen in die Fallen, die ihnen andere stellen. 

Wenn mir jemand krumm kommt und meint, mich verbiegen zu können, dann denke ich sofort: Den Erfolg gönne ich dir nicht. Ich bin doch nicht so doof und lasse mir eines Tages nachsagen, dass du mich geschafft hast. So, wie Alkoholismus und Drogensucht Menschen zu Fußabtretern machen, so macht auch Dummheit Menschen zu Fußabtretern. Ob eigene Dummheit oder die Dummheit der anderen macht dabei keinen Unterschied. Dümmer als dumm gibt es nämlich nicht. 

Ich gönne niemandem, der mir schaden will, den Augenblick, in dem er anderen vorheuchelt: "Der kann einem aber wirklich nur noch leid tun." Ich jedenfalls werde gleich wieder die Schönheit von Madeira genießen. Die Sonne scheint, der Atlantik hat sich wieder beruhigt und wo die Männer herum torkeln, die andere beschimpfen und herum pöbeln, weiß ich inzwischen. Die Insel ist zwar klein, aber für "einen Bogen machen" ist sie groß genug.

Diesen Bogen mache ich während der Pandemie auch um die so genannten Experten. Ich gehöre weder zu den Menschen, die sich alles vorschreiben lassen und sich von diesen so genannten Experten irgendwann anhören müssen, dass einige dieser Vorschriften völlig sinnlos gewesen sind, noch gehöre ich zu den Menschen, die jeden guten Rat für sinnlos halten. Die meisten guten Ratschläge gebe ich mir nämlich selbst.